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Kurzgeschichten und Gedichte

Ein Stückchen Seele

(Groteske über das Geld oder die Seele oder beides)
Als ich eines Morgens erwachte, war strahlender Sonnenschein, nur ein paar Überraschungswolken trieben umher; doch die beachtete ich nicht und machte mich schnurstracks auf den Weg. „Wie lange dienst du bereits der Seele, hast du nicht ein Stückchen Seele für mich“, sprach mich alsbald ein vermummter Fremder auf der Straße an und hielt seine knochige Hand auf. „Schon so lange wie das Licht für einen Tanz mit dem Tod braucht“, antwortete ich keck, gab ihm etwas und ging hurtig weiter.

Es wird immer anstrengender, dachte ich bei mir. Bald gibt es viele hier, die gar keine Seele mehr haben, trotz der zahlreichen Saugstellen überall, wo man geschwind auftanken kann. Alsdann hatte ich einen Kunden. Schon als er völlig bleich und ängstlich durch das Portal hereinschlich, erkannte ich gleich an seiner gebückten Haltung, wie wenig Seele er hatte. „Kann ich ein bisschen Seele bekommen“, hauchte er, als er zu mir an den Tisch kam. Behände tippte ich einen Betrag in die Maschine. „Es tut mir leid“, flüsterte ich leise, so dass keiner der Umstehenden es hören konnte. „Ich darf Ihnen nichts geben, Ihr Bottich ist bereits leerer als leer, Ihr Seelenbottich muss erst aufgefüllt werden“. „Nur ganz klein wenig“, bettelte er und sank noch mehr in sich zusammen. „Ein wenig vielleicht“, meinte ich gutmütig und ließ mich erweichen, „ein kleiner Vorschuss, hier unterschreiben Sie das“. Ich deutete auf den Zettel, während ich ihm gleichzeitig ein Quäntchen Seele hinschob. Hastig saugte er es auf. Als er seinen Namen auf das Papier kritzelte, bemerkte ich, wie er zusehends an Farbe gewann; tänzelnd sprang er ins Freie. „Ist dir schon einmal aufgefallen“, wandte ich mich zu meinem Kollegen, „dass man über die Seele nie Witze macht. Über Gott und die Welt witzelt und lacht man und zieht darüber her, nur über die Seele nicht.“

Bild zur Kurzgeschichte Ein Stückchen Seele

„Wirklich, wirklich“, hob er den Kopf erstaunt, seinen Blick forsch auf mich geheftet, suchend nach einer Spur Abtrünnigkeit. „Ohne Seele hätte die Welt gar keinen Wert“ verkündete er trocken und führte mit seinem Stift einen Dialog mit unendlichen Zahlenkolonnen.

Das Imperium der Seele ist schier allmächtig, ging es mir durch den Sinn, es wird verwaltet von Menschen, deren Gesichter so grau sind, wie ihre Anzüge, die sie tragen. Jedenfalls ist das so in den oberen Etagen. In den unteren Stockwerken, bekleckert man sich gerne mit farbigen Gewändern.

Später begegnete ich einem Bekannten. „Ohne Seele bist du hier nichts“, belehrte mich dieser mit sattsam stoischer Miene und dabei quoll er über und über. „Freilich, freilich“, musste ich ihm genügsam beipflichten und klammerte mich dabei aufs äusserste an das bisschen Seele, das ich noch hatte. Gleich darauf musste ich selbst etwas Seele tanken und entdeckte, nachdem ich ein Fleckchen Wüste durchwandert hatte, einen Automaten. Aber anstatt mich höflich zu versorgen, traktierte mich dieser mit schnödem Geplänkel, verzweifelt driftete ich in karge Gefilde.

Dort begegnete ich einer jungen Frau, die war himmlisch schön anzuschauen, aber ihr fehlten die Glieder. Dafür hatte sie Seele im Überfluss. Sie duftete wie ein Rosenwäldchen. Als ich ihr kühn ins Gesicht sah, schmiss sie mir ohne Scham, mit brünstigen Lippen, ihre heissen verdorbenen Silben um die Ohren. „Du bist doch nur auf meine Seele aus, die ich nicht habe“, entgegnete ich schlagfertig und setzte mich auf einen Stein. Da wurde sie still und bedächtig. „Einst“, so bekannte sie freimütig, „konnte ich kein Scherflein Seele mehr spenden, da nahmen mir die Verwalter meine Füße weg. Daraufhin raffte ich soviel Seele zusammen, wie ich nur kriegen konnte, schließlich opferte ich noch Arme und Beine, wurde dabei aber nicht wirklich reicher, sondern nur immer unzufriedener“.

„Wenn du alles opferst, was du besitzt und auch noch das große Schweigen hütest“, sagte ich, „kannst du Seele weder gewinnen noch verlieren und bist unendlich reich und erlangst ewigen Frieden“. Kaum hatte ich zu Ende gesprochen, da brausten mit großem Getöse, hochschwangere Karossen gefährlich zwischen uns hindurch. Aus deren Fugen und Ritzen, funkelte und blinkte es scheibchen- und fleckchenweise nur so von Seele. Gellendes, höhnisches Gelächter, stieß an mein Ohr und drang mir ins Herz. Aber der den Wagen folgende, eifrige Strudel konnte mir nichts anhaben. Die junge Frau musste mich vorhin verstanden haben, denn mit einemmal wurde sie lichter und lichter und entschwand. Ferne am Horizont sah ich nun hinter sattgrünen Wäldern, voller Hoffnung, einen neuen goldenen Topf emporglitzern, so wie ein Regenbogen aufsteigt nach einem grausamen Gewitter.

Er war vollständig angereichert mit reinster Seele. Darauf wollte ich zuschreiten und beeilte mich voranzukommen. Aber der Wind blies mir derart stark ins Gesicht, so dass ich bei einem Seelentempel um Unterschlupf bitten musste. Auch dräute es gewaltig über mir; giftgrüne Wolken ballten sich turmhoch unter flammendem Firmament.

Hinter den dicken mächtigen Mauern des Palastes fühlte ich mich wieder sicher. Überall in den heiligen Hallen, lauerten die Priester der Seele und beschworen mich mit ihren anschmiegsamen, schwerverdaulichen Sprüchen. Einige heckten an leuchtenden Pulten magische Formeln aus. Dabei hantierten sie mit betörenden Klängen und Bildern, die sie in immer neue, bewegliche Formen gossen. Knusprige, leichtgeschürzte Mädchen boten hier beflissen ihre verlockenden Dienste an. Das Gelände strotzte mit einem Labyrinth an Basaren. Dort herrschte ein Clan von Abzockern, die erst dann zufrieden waren, wenn sie von den hier Lebenden für ein Kinkerlitzchen auch noch das letzte Quäntchen Seele abstauben konnten. „Halt, so geht das nicht weiter“, protestierte ich lautstark und erhoffte mir Hilfe von allen Seiten. Aber die Leute schlurften nur sinnentleerten Blicks traumwandlerisch über den Boden. „So etwas darf nicht mehr vorkommen“, belehrte mich gleich ein Seelenpriester eindringlich. „Wir wollen nicht, dass Ihnen etwas zustößt“. „Was meinen Sie damit?“, entgegnete ich schlagfertig und rückte meinen Stuhl zurecht. „Nun“, säuselte er scheinheilig und lehnte sich genüsslich in seinen wuchtigen Sessel.

„Es ist schon mal vorgekommen, dass Leute, die das Gesetz der Seele hier nicht ganz verstanden haben, plötzlich nicht mehr zurechtkamen, Unfälle hatten, mehr oder minder schwere, manchmal sogar tödliche, davor möchte ich Sie bewahren. Und vergessen Sie nicht, Sie waren es, der zu uns gekommen ist, Sie können jederzeit wieder gehen“. Dabei deutete er auf die Tür und lachte widerwärtig mit geschwellter Brust. „Das werde ich auch“, rief ich empört und wollte aufspringen, aber meine Füße waren schwer wie Blei. Die Tür stand jetzt weit offen, doch an den Fenstern wucherte es bedrohlich, mit höllischem Lärm. Pechschwarze Gitter krallten sich dort an den Wänden beinhart fest, wie raubgierige, kampflustige Spinnen. Mir war jetzt so übel, dass ich kaum einen Schritt gehen konnte, nur mühsam schleppte ich mich ins Freie. Plötzlich wurde es dunkel. Ich musste zusammengebrochen sein. Als ich wieder zu mir kam, war es taghell. Ich lag auf einer aschfahlen Wiese und fühlte mich – schwach. Um mich herum, das laute Brummen gigantischer Schmetterlinge.

Dieser Lärm kam mir jetzt vor wie die himmlischste Sphärenmusik und ich bemühte mich, näher an einen der Brummer, die auf dem Boden rasteten heranzukommen. Unterdessen hatte mich ein Geschwader von Flugmäusen erspäht und rettete mich in den Bauch eines dieser Schmetterlinge. Sie versorgten mich dort aufs Vortrefflichste mit erlesenen Speisen und Getränken, unterhielten mich köstlich und schnatterten vergnügt durcheinander. Das Brummen wurde nun immer lauter und es hatte allen Anschein, als ob sich der riesige Falter bald in die Lüfte erhob. Wo würde er hinfliegen? Ich wusste es nicht und es war mir auch einerlei. Und es war mir auch einerlei, ob ich noch einen Topf voll Seele gewinnen könnte oder nicht - einfach weg hier. Ich lag bereits gemütlich in meiner Koje aber nichts rührte sich, wir waren noch immer fest auf dem Boden. „Was ist, warum heben wir nicht ab?“ wurde ich ungeduldig. „Wir können nur fliegen, wenn Sie mitbrummen“, piepste mich eine Maus an. Das kam mir äußerst verdächtig vor. „Brummen Sie so laut sie können“, sagte sie, „je lauter sie brummen, desto schneller und höher fliegen wir. Wenn Sie das nicht schaffen, müssen wir hier bleiben und Sie wieder ‚zurückschnorcheln’“, dabei runzelte sie kess die Stirn und blickte ein wenig sorgenvoll drein. „Zurück.... was?“ fragte ich. Aber sie hatte sich schon entfernt und hörte mich nicht mehr.

Die Mäuse hier hatten sie ja wohl nicht alle beieinander. Aber ich wollte unbedingt weg hier und so fing ich denn an zu brummen, zuerst leise, dann immer lauter. „Brruummmm, bruuummm“, machte ich so gut ich konnte, so ging das eine ganze Weile. Plötzlich presste sich von hinten her eine Hand auf meinen Mund, so dass ich keine Luft mehr bekam. In meiner Panik schlug ich wild um mich.

Auf einmal ging das Licht an. Ich war aufgewacht, es war gerade halbdrei Uhr morgens, ich lag in meinem Bett und meine Angetraute hielt mir mit einer Hand den Mund zu und bog sich vor Lachen. „Sag mal spinnst du, warum um alles in der Welt drehst du mir die Luft ab“, japste ich, wie aus allen Wolken gefallen, nachdem ich mich ihres Griffs entledigt hatte. „Brruummm, brruummm“, äffte sie immer wieder vor mir, hielt sich ein Kissen vor den Bauch, lachte, prustete, lachte und lachte. Dabei hatte ich doch nur geträumt, oder etwa nicht?

(Kurzgeschichte eingereicht von Sebastian Obermayr)

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