Nachspielzeit
Paul war ein eingefleischter Schalkefans. Er lebte für den Verein, verbrachte jede Minute in blau-weißen Gedanken. Jeder, der ihn auf der Straße sah, begrüßte ihn mit "Schalke-Paule". Im Ganzen Viertel in Gelsenkirchen-Buer war er bestens bekannt und natürlich aufgrund seiner Fanleidenschaft auch sehr beliebt.
Es war wieder einmal Wochenende und Schalke-Paule traf sich mit seinem Fanclub in der hiesigen Stamm-Sportsbar, um nach zwei Bierchen zur Arena zu fahren. Es war mal wieder das Derby gegen die Zecken angesagt. Wie allgemein üblich setzte Paule noch ein paar seiner Betgutscheine auf sein Team. Er war sich ja vollkommen sicher, dass es nach fünf verlorenen Derbys in Folge diesmal endlich klappen würde. Seine Freunde Bratwurst-Willi, Flankengott-Heinrich und Kümmerling-Rudi waren natürlich mit von der Partie.
"Dies Mal gibts ein 2:1 für uns!", tönte Paule lautstark. Seine Kumpels pflichteten ihm bei, waren sie doch der gleichen Meinung. Mit einem "Prost" spühlten sie so ein nach dem anderen Bier runter. Der Rudi dazu natürlich immer einen Kümmerling. Es war mittlerweile 12:30 Uhr. In drei Stunden sollte das große Aufeinandertreffen beginnen.
Blöderweise hatte der Rudi zuviel des Guten getrunken. Als alle zusammen zum Stadion aufbrechen wollten, war für ihn schon alles zu Ende. Wie immer gaben die Kumpels ihn an der Haustür bei seiner Frau Erna ab. Die war wie immer total "begeistert". "Der kann morgen was erleben!", schimpfte sie vor sich hin. Die drei Freuznde hatten ihren Spaß und schmunzelten.
Den Kumpels wars egal, waren sie nun doch wenigstens eine Last los. Pünktlich um 14:30 Uhr trafen sie am Stadion ein. Bei der Kontrolle wurden sie natürlich wie immer komplett durchsucht. Sie waren ja für ihre Leidenschaft berüchtigt und zudem auch gut angetrunken. Dem Flankengott-Heinrich passte das wie immer natürlich gar nicht. Er verpasste einem der Ordner eine Bananenflanke von links, die genau an dessen Kiefer landete. Wieder einmal hatte der Flankengott zugeschlagen und musste draußen bleiben. Bzw. um es genauer zu sagen, musste er die nächsten Stunden im Polizeigewahrsam verbringen.
Da war von Paules guten Kumpels nur noch der Bratwurst-Willi übrig. Der ging wie immer an den ersten Bratwurststand und bestellte sich ein Schalke-Gedeck nach dem anderen. Um 15 Uhr war dann auch mit ihm wegen Überfüllig Schluss. Die Sanitäter kannten den fülligen Ü-Hu (er wog deutlich über Hundert Kilo) schon.
So war Paule mal wieder auf sich alleine gestellt und drückte im Fanblock seinem Team alle Daumen. Man muss anmerken, dass er einen bei einem Motorradunfall vor Jahren verloren hatte. Aber egal, heute musste halt ein Daumen zum Drücken reichen. Und Paules Wunsch schien sich zunächst zu erfüllen. Ein Jungtalent mit dem Namen Draxler brachte die Knappen bereits nach zwei Minuten mit 1:0 in Führung. Die ganze Veltins-Arena tobte.
Das Spiel plätscherte so dahin, ein paar Chancen hüben, wie drüben, aber keine wirkliche Gefahr für die Schlussmänner. Paule freute sich von Minute zu Minute mehr und mehr. Es brach die 88. Minute an. Nein! 1:1, unglaublich! Sollte es wieder gegen die Zecken nicht klappen? Und es kam noch dicker für den Paule. Mit dem Schlusspfiff (schon in der Nachspielzeit) segelte das Leder aus gut 35 Metern in den rechten oberen Winkel zum 1:2 für die Schwarz-Gelben. Hätte Paule doch auch seinen zweiten Daumen drücken können, dann wäre es sicherlich anders ausgegangen.
Wie schon die Jahre davor stahl sich der Paul leise aus dem Stadion. Hatten seine Freunde ein Glück, das nicht erleben zu müssen. Die Schmach der Niederlage saß sehr tief. In seiner Stammkneipe wurde anschließend noch das ein oder andere Pils runtergespült. Heinrich war endlich nach seiner Entlassung aus dem Gewahrsam wieder mit von der Partie.
Und so begannen sie wieder mit ihren üblichen Gröhlereien "Schalke, ole ole!". Und wenn sie es noch ertragen können, so gröhlen sie auch heute noch.